Die grüne Grabenschlacht: ETFs vs. Fondsmanagement

Oder zwei Blickwinkel auf die Transformationswirkung des ethischen Kapitalmarkts.

Was beim Aktieninvestment nachhaltig ist und was nicht – da hat jede:r scheinbar eine andere Meinung und es ist auf den ersten Blick wenig Konsens zu finden. Den Gipfel der Unstimmigkeiten findet man zwischen ETF-Liebhaber:innen und der Front der gemanagten Fonds. Was zunächst nach einem erbitterten Glaubenskrieg aussieht, ist bei näherem Hinsehen vielleicht doch eher einer einseitigen Betrachtung geschuldet, der ich mich auch selbst nicht ganz entziehen konnte.

Ich habe mich für dich noch mal in die Recherche gestürzt und mich im Podcast mit Fondsmanager Gunter Greiner und ETF-Portfolio-Manager Tim Helm unterhalten. Für mich tat sich dann doch viel Raum für versöhnliche Schlüsse auf – aber entscheide selbst.

Fangen wir an der Basis an

Wo liegt genau das nachhaltige Wirkungspotential von Aktienfonds (ETFs eingeschlossen)?

Zum einen natürlich in der Lenkung der Geldströme hin zu „den Guten“.

Das geht sehr direkt, wenn ein Fonds besonders nachhaltige Unternehmen beim Börsengang oder Kapitalerhöhungen aus erster Hand mit frischem Geld versorgt. So können diese ihre ambitionierten Wachstumspläne auch in die Tat umsetzen, was sonst nicht möglich wäre. Das ist bei kleineren Aktiengesellschaften oft der Fall (Small- und Micro-Caps, seltener bei Mid-Caps).

Aber es gibt auch einen indirekten Effekt. Sind die Aktien von Unternehmen auf dem Sekundärmarkt gefragter, steigt deren Wert (Angebot und Nachfrage – der Klassiker) so werden die Konzerne insgesamt höher bewertet, haben eine bessere Bonität und können sich auf anderem Weg leichter und günstiger Geld für ihre Wachstumspläne beschaffen. Durch Anleihen oder Bankkredite zum Beispiel. Dieser Effekt spielt in der Welt der „Big Player“ die größere Rolle.

Zum anderen sind die Fonds als Aktionäre Eigentümerinnen an den Unternehmen und können so auch den Kurs eben dieser mitbestimmen.

Das Management oder eigens dafür angestellte Expert:innen können aktiv den Dialog mit Unternehmen suchen, auf Missstände hinweisen und Änderungen einfordern (Engagement). Auch ein offener Brief wie der von Larry Fink (dem Big Boss von Black Rock) zählt dazu. Auf den Aktionärsversammlungen kann über die Stimmrechte der Unternehmenskurs direkt mitbestimmt werden.

Schauen wir uns nun beide Seiten an und beurteilen sie nach dem Umfang, in dem sie die Maßnahmen anwenden und den Ergebnissen, die sie damit erzielen.

Zuerst die ETFs

Nach den Argumenten der Fondsmanagement-Hardliner sind die allesamt Greenwasher. Welchen man sich auch anschaut, überall finden sich zweifelhafte Titel wie Coca-Cola, Nestlé oder Tesla (letzter löst ja an sich schon mal hitzige Debatten mit wüsten Beschimpfungen aus). Gäbe es da ein Fondsmanagement, das mit Edelmut und Verhandlungsgeschick auf die Unternehmen einwirken würde, um ein weltverbesserndes Ergebnis zu erzielen, könnte man ja ein Auge zudrücken. Dummerweise hat Team Index-Investment grade dieses für überflüssig erklärt und abgeschafft – also gibt’s auch kein Engagement. So weit der Shitstorm.

Schauen wir uns zu erst die klaren Vorteile der ETFs an und nehmen die Kritik dann näher unter die Lupe.

Wirtschaftlich stark!

Das Offensichtlichste zu erst: ETFs sind unschlagbar günstig. Selbst im Vergleich zu einem sehr preiswerten gemanagten Fonds spart man noch 1% Kosten und das bedeutet nun mal im Umkehrschluss garantiert 1% mehr Rendite – da gibt es nichts zu diskutieren.

Darüber hinaus sind ETFs sehr transparent und klar abgrenzbar. Du weist also jederzeit ganz genau, was du im Portfolio hast – zumindest wenn du die Geduld aufbringst und dir alles anschaust. Wirklich stark ist auch die Möglichkeit das Portfolio sehr genau nach Ländern auszutarieren, da die ETFs sich ja meistens geographisch zusammensetzen und dabei recht konstant sind.

Nicht zuletzt bekommst du eine langfristig stabile und recht planbare Rendite ohne böse Überraschungen.

Besonders letzteres gilt natürlich nur, wenn du dich innerhalb der großen Indizes bewegst und die Finger von teils recht schwindeligen Themen-ETFs lässt.

 

Kurz kann man sagen: Ein gutes ETF-Portfolio ist günstig, planbar und langfristig sicher – dazu gibt es Rückenwind durch diverse Studien und Investment-Größen wie Warren Buffet.

Aber am Ende doch nur grün angestrichen?

Sieht es nun mit der Nachhaltigkeit so schlimm aus, dass wir als ethisch motivierte Inverstor:innen wirklich zähneknirschend auf all die Vorteile verzichten müssen? Bis vor kurzen hätte ich diese Frage mit einem klaren ja beantwortet – nun bin ich ein wenig milder gestimmt.

Was ETFs definitiv nicht können ist Geld gezielt zu den kleinen und mittelgroßen Champions der Nachhaltigkeit unserer Wirtschaft zu leiten. Im nachhaltigen Small-Cap-Bereich ist das Angebot sehr dünn und das Top-Listen-Prinzip eines Index kann diesem schnelllebigen Marktsegment nicht gerecht werden.

ETFs hinken auch beim aktiven Aktionärstum hinterher. Dass für Aktien in Indexfonds keine Stimmrechte wahrgenommen werden ist zwar ein Mythos, doch besonders in Sachen Unternehmensdialog ist noch viel Luft nach oben – danke für den Brief, Larry, aber da geht noch was.

Doch eine Sache gibt es da, mit der ETFs wirklich Punkten können: Durch ihren Hit-Listen-Charakter schaffen sie einen nicht zu verachtenden Konkurrenzdruck unter den ganz Großen unserer Wirtschaft. Ob ein Konzern zu den nachhaltigsten 25% seiner Kategorie gehört und damit in die Billionen schwere Welt der SRI und ESG Indizes aufgenommen wird, scheint ein sehr entscheidender Faktor zu sein.

Wissenschaftlich ist das übrigens nur sehr schwer zu belegen – wie jede Wirkung von nachhaltigen Geldanlagen (Wie können wir genau wissen, wie es ansonsten gelaufen wäre? – Es gibt eben keine Vergleichsgruppe). Das Verhalten und die Aussagen vieler Konzerne lassen aber recht eindeutige Schlüsse zu.

Zwischen Coca-Cola und Pepsi zum Beispiel tobt jetzt nicht mehr nur ein Konkurrenzkampf darum wer die meisten Menschen in die Diabetes treibt, sondern auch wer am ressourcenschonendsten arbeitet und sich schneller Alternativen zu Ozeanen voller Plastik überlegt.

Das Erz-Kapitalistische Zusammenspiel von Cash und Konkurrenz liefert so Ergebnisse, die Horden von Moralkeulen schwingender Aktivist:innen und engagender Fondsmanager:innen nicht vollbringen konnten – like it or not.

Das gesamte Wirkungsspektrum gilt allerdings nur für solche ETFs, die auch wirklich Aktien kaufen. Die synthetischen Varianten sind in allen Belangen nutzlos.

 

Mit einer grünen Version eines MSCI World ETF die Welt retten zu wollen wäre wohl etwas naiv, aber neben vielen Vorteilen für uns Anleger:innen selbst, zeigen nachhaltige Index-Fonds eine nachweisbar verändernde Wirkung auf die Welt der großkapitalisierten Unternehmen Weltweit. Auch Skeptiker:innen und Impact-Fans wie ich tun also gut daran ihnen ihre Daseinsberechtigung in der grünen Welt nicht abzusprechen.

Die gemanagten Fonds

Seit dem Vormarsch der ETFs müssen sich Fondsmanager:innen und deren Teams einiges an Kritik gefallen lassen. Die Indexfreunde aus dem Team MSCI und Co. werfen der gesamten Zunft schlicht Unfähigkeit vor. In 9 von 10 Fällen erwirtschaften die sogenannten Expert:innen weniger Gewinne als der Referenzindex – sind aber dafür deutlich teurer. Wenn dann auch ein blinder Fondsmanager mal ein Alpha (Überperformance) erzielt, wird am besten noch eine zusätzliche Gebühr dafür fällig. In den nächsten Jahren geht es dann wieder bergab. In Sachen Nachhaltigkeit verlassen sich die Profis auf die selben von extern eingekauften Scorings, die auch den ESGs und SRIs zugrunde liegen.

Allesamt nutzloses Pack, diese Fondsmanager:innen?

Für mich ganz sicher nicht.

Besonders im Bereich der ganz großen Märkte haben die gemanagten Fonds zu recht an Boden verloren, wie ich finde. Es hat sich gezeigt, dass aktive Ansätze bei einem Anlageuniversum von vielen hundert bis tausend Konzernen mit teils sehr verworrenen Geschäftsfeldern an ihre Grenzen stoßen. Wo kein Mensch und auch kein Team mehr den Überblick behalten kann, hat „die unsichtbare Hand des Marktes“ scheinbar alles am besten im Griff – und davon profitiert man nun mal mit einem ETF.

Doch lässt das auch einen Umkehrschluss zu: Je kleiner und übersichtlicher das Anlageuniversum ist, desto besser kann ein Management performen. Wo es wahrscheinlich unmöglich ist sich ein umfassendes und genaues Bild von Nestlé oder Unilever zu machen, sieht das bei Schweizer Mittelständlern und den führenden Unternehmen in Nischen wie der nachhaltiger Forstwirtschaft und Wasseraufbereitung anders aus.

In einem investierbaren Bereich von selten viel mehr als hundert Unternehmen kann sich eine findiger Fondsmanagerin auskennen wie ein guter Taxifahrer in seiner Heimatstadt. Wenn es überhaupt einen passenden Vergleichs-Index gibt, ist eine Überperformance eher die Regel als die Ausnahme.

Garantiert ist die natürlich nicht. Je spezieller das Thema, desto wahrscheinlich wird eine Wertenwicklung, die sich stark von Markt im gesamten Unterscheidet – nach oben oder unten. Außerdem musst du mit höheren Wertschwankungen rechnen – besonders bei Einmalinvestitionen kann das Nerven kosten.

Setzen wir uns bei der Fondssuche die dunkelgrüne Brille auf, sind es grade die kleineren Unternehmen, die uns ins Auge springen. Wenn wir mit unserem Geld einen möglichst großen Einfluss auf den Markt nehmen wollen, dann muss es ohne Umwege zu Herstellern von Solaranlagen, Recycling-Spezialisten und in die Bio Landwirtschaft fließen.

Um unser Mutterschiff Erde auch in Zukunft noch als lebensfreundlichen Ort genießen zu können, brauchen wir leidenschaftlich grüne Innovator:innen. Eine schleichende Kurskorrektur der großen Konzerne reicht einfach nicht aus. In der Welt der Aktienfonds leisten uns nur sehr wenige spezialisierte und gemanagte Fonds diesen Dienst.

Gibt es auch bei den Large-Caps Vorteile von aktiven Fonds?

Die gibt es für alle, die höhere Ansprüche an die Titelauswahl haben. Wenn du eine lange Hass-Liste von großen Konzernen pflegst, denen du keinen Cent und schon gar keinen Wettbewerbsvorteil gönnst, dann stößt du mit den breit gestreuten ETFs schnell an deine Grenzen.

Alternativen findest du bei den grünen Banken oder spezialisierten Fondsgesellschaften. Diese machen zu erst mal einen großzügigen ethischen Kahlschlag und investieren dann in alles, was stehengeblieben ist und wirtschaftlich einen guten Eindruck macht. Die Rendite ist oft überraschend hoch, die Kosten aber auch.

Beim Engagement scheiden sich die Geister

Wo der Fondsmanager in der Nische sehr guten Kontakt zu den investierten Unternehmen pflegen und in größerem Maße Einfluss nehmen kann, ist der Fall bei den Großen nicht so klar.

Müsste sich die Unternehmensspitze von Google jedes Jahr zwei Stunden mit jedem Fondsteam beschäftigen, das investiert ist, würden sie nichts anderes mehr tun. Allein dadurch sind diesem Ansatz enge Grenzen gesteckt. Auf der anderen Seite hat der gebündelte Einfluss von Investor:innen schon so manche Kurskorrektur unter den Ölkonzernen bewirkt.

Welcher Effekt ist nun größer – die Kapitalistische Rally um die Index-Aufnahme oder der Stunk von großen Fondsgesellschaften? Auf eine endgültige Antwort werden wir wahrscheinlich noch lange warten müssen und wie so oft könnte die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegen.

Fazit: Und nun?

ETFs Greenwashing vorzuwerfen macht Sinn – aber nur, wenn wir uns deren Zusammensetzung ohne den entsprechenden Kontext anschauen. Wir brauchen auch eine Transformation in der Welt der Großkonzerne und die befeuern die Ethik-Indizes durch ihren Wettbewerbscharakter.

Um deinem nachhaltigen Vermögensaufbau eine stabile und planbare Basis zu verschaffen, sind Index-Fonds sehr gut geeignet. Trotzdem wirst du wahrscheinlich immer enthaltene Titel finden, die dir nicht passen oder bei denen du schon viel Fantasie brauchst um eine grüne Vorreiterin in ihnen zu sehen.

Auf eine möglichst große Wirkung ausgelegtes „Impact Investing“ ist allerdings nur in der Welt der aktiven Nischen-Fonds möglich – die Fondsmanagerschaft kann sich also zumindest im grünen Bereich als gerettet betrachten.

Aktive Fonds in der Welt der großen Konzerne können auch höheren Ansprüchen an die Titelauswahl gerecht werden – doch das hat seinen Preis.

Danke

An Veronika und Tim von der „Grünen Welt“ und Gunter von WIWIN für gute Ideen und Einblicke in dieses vielschichtige Thema.

Den Podcast mit Fondsmanager Gunter und ETF-Portfoliomanager Tim findest du übrigens hier.

Bis bald.

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